Restauration einer Kirche aus Marmor in Wien

 

In Wien, der Hauptstadt Österreichs, wird zur Zeit eines der berühmtesten Beispiele für Kirchenarchitektur in Europa im Art-Nouveau-Stil restauriert. Unter anderem musste die gesamte Fassade aus 2.000 m2 weißen Carrara-Marmorplatten in den letzten zwei Jahren erneuert werden. Die Kirche mit dem Namen  «Am Steinhof» ist ein Werk Otto Wagners (1841-1918), dem international anerkannten österreichischen Architekten und Vorreiter beim Art-Nouveau-Stil in Europa.
 
 
Das Gebäude wird als Hauptwerk Wagners betrachtet. Es wurde für die niederösterreichische Provinzinstitution und das Sanatorium gebaut und hat eine sehr dominierende Position inne. Es liegt ungefähr 15 km westlich der Stadtmitte auf dem höchsten Punkt und auf den Achsen eines großen Parks in den Wäldern von Wien. Ihre majestätisch glänzende Kuppel, die mit vergoldeten Kupferplatten gedeckt ist, ist von vielen hohen Aussichtspunkten der Stadt zu sehen.
 
Obwohl die Konstruktion der Kirche aus Ziegelsteinen ist, ist sie mit weißem Carrara-Marmor verkleidet (Bianco Carrara). Die 2 cm dicken Platten sind mit Marmorbändern (Friesplatten) aus demselben Material befestigt, von denen jedes zusätzlich einzementiert und mit Metallbolzen mit Kupferspitzen im Mauerwerk verankert ist.
 
 
Der ursprünglich für die Fassade verwendete Carrara-Marmor war von herausragender Qualität, was sich alleine dadurch zeigt, dass die Platten fast ein Jahrhundert lang gute Dienste geleistet haben. Im Laufe der Jahre haben jedoch eine erhebliche Anzahl der Platten sich bis zu 4 cm aufgewölbt und Risse bekommen, was an den Temperaturschwankungen und anderen Einflüssen liegt. Man kennt dieses Problem auch von anderen marmorverkleideten Gebäuden, wie z.B. der Finnlandia Halle in Helsinki. Da die Platten herabzufallen drohten, wurde beschlossen, die gesamte Marmorverkleidung zu erneuern.
 
 
Deshalb wurden die alten Platten entfernt und durch neue gleicher Qualität ersetzt. Aus Denkmalschutzgründen wurde die komplette Bauweise bis auf den Anker beibehalten. Die ursprünglich verbolzten Anker wurden durch verschraubte ersetzt, so dass in Zukunft schadhafte Platten abgebaut und einfach durch neue ersetzt werden können. Die Marmorplatten sind 74 cm breit und 115 cm hoch. Die Marmorbänder sind 30 cm hoch und 148 cm breit; sie werden mit zwei Schraubankern im Mauerwerk befestigt. Die Platten haben eine polierte Oberfläche.
 
 
Die Arbeit an den Steinen begann Anfang 2004. Die Carrara-Firma Escom produzierte und lieferte fertige Platten, die direkt verbaut werden können. Die Kosten für die gesamte Kirchenrenovierung liegen bei ungefähr 11,3 Millionen €, von denen 1,2 Millionen € den Steinmetzarbeiten vorbehalten sind. Seit Juni 2005 sind diese inzwischen vollendet. Wenn die Kirche innen auch fertig restauriert ist, wird sie 2006 wieder in Betrieb genommen.
 
Laut Franz Aufhauser, dem Wiener Steinmetzmeister, dessen Firma mit der Erneuerung der Steinfassade beauftragt war, war die Aufgabe sehr anstrengend und anspruchsvoll. Besonders lange hat es gedauert, den Marmor auszusuchen. Diese Auswahl fand in Zusammenarbeit mit Vertretern des österreichischen Denkmalpflegeamtes statt. Das Material musste unbedingt sehr gleichmäßig sein. Um das zu erreichen, musste das Material sehr sorgfältig im Steinbruch abgebaut werden. Trotz dieser sorgfältigen Auswahl passierte es mehr als einmal, dass die montierten Platten später wieder abgebaut werden mussten, weil sie von der Farbe oder Beschaffenheit her in den Augen des Denkmalamtes zu unterschiedlich waren.
 
 
 

* Robert Stadler ist Herausgeber des Münchner Magazins STEIN und «baublatt», der führenden Schweizer Bauzeitschrift